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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 37
Doch fügte sie wenig später diesem „Anspruchs- und Herrschaftstitel“ fast durchweg noch die Rangtitel“ lantgravia Thuringie und quondam ducissa Brabantie hinzu, um – ähn- lich wie bereits ihre „hessischen“ Vorgänger Landgraf Konrad und Landgraf Her- mann II. – gleichsam kompensierend auch ihre herausgehobene fürstliche und dynas- tische Stellung zu kennzeichnen 148. Rechtlich relevant war keiner dieser Titel. Vielmehr hing es angesichts der vorwiegend auf Alloden und Kirchenlehen beruhenden Herr- schaftsgrundlagen allein vom Maß ihrer Anerkennung und Durchsetzung im Lande selbst ab, welche konkreten Inhalte ihre Selbstbezeichnung als domina Hassie faktisch besaß149. Wenn die erzbischöflich-mainzische Kanzlei von Sophie von Brabant ledig- lich als von der relicta ducis Brabantie (1252)150 oder der nobilis mulier, domina Sophia (1261)
Lahn vom März/Juni 1248, bei denen die Titulatur noch zwischen Lotharingie et Brabantie quondam ducis- sa, domina Hassye bzw. quondam ducissa Brabantie ac Lotoringie, domina Thuringie et Hassie bzw. lantgravia Du- ringie, domina Hassie et quandoque ducissa Brabantie schwankte, Grotefend/rosenfeld, S. 5 f., Nr. 14 ff.; Zitate nach Ernst VoGt, Zur Geschichte Heinrichs I. von Hessen, in: ZHG NF 33 (1909), S. 319–334, hier S. 329, vgl. ebd. Anm. 1 auch zur Einordnung der Urkunde Grotefend/rosenfeld, S. 4 f., Nr. 13; die Umdatierung der Urkunde Grotefend/rosenfeld, S. 7, Nr. 20, vom 11.2.1249 auf den 11.2.1248 durch zuletzt Landgrafen-Regesten online Nr. 2 (Stand: 12.9.2011) halte ich nicht für überzeugend. Den Titel DOMINE : HASSYE legte sich Sophie auch auf dem Rücksiegel ihres Reitersiegels bei, das nach hussonG (wie Anm. 9), S. 15, „offen- bar gleich nach dem Tode Heinrichs II. von Brabant in Hessen angefertigt“ wurde; Grotefend/rosen- feld, s. 4 f., Nr. 13. Deutlich ist, dass Sophie nach anfänglicher Unsicherheit erst während ihres ersten Auftretens in Hessen Klarheit über die wesentlichen, in ihre Titulatur aufzunehmenden Bestandteile ge- wann, dass aber der Titel domina Hassie von Anfang an zum unverrückbaren Bestand gehörte, vgl. auch die Überlegungen von VoGt, S. 329.
148 VoGt (wie Anm. 147), S. 324–330; zur Frage, inwieweit sich mit dem thüringischen Landgrafentitel So- phies Erbansprüche auf die Landgrafschaft Thüringen verbanden, vgl. unten S. 71 ff. Doch sei be- reits hier auf die treffenden Bemerkungen von wenck (wie Anm. 25), S. 222 verwiesen: „Wie sich seit 1231 alle männlichen Glieder des Landgrafenhauses mit diesem Titel [sc. Landgraf von Thüringen] ge- schmückt hatten, so haben auch die ‚Tochter Elisabeths‘ und ihr Sohn Heinrich denselben angenom- men, um ihre Zugehörigkeit zu dem alten landgräflichen Hause zu bekunden; und sie haben dies umso mehr gethan, als sie, fürstlichen Geblüts, sich nicht mit einem schlichten ‚Herr (oder Herrin) von Hes- sen‘ begnügen wollten und die kahle Bezeichnung ‚Landgraf‘ mit nachfolgendem ‚Herr von Hessen‘, die nachher für lange Zeit herrschend wurde, sich begreiflicherweise schwer genug eingebürgert hat“.
149 Überaus aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist die Auftragungsurkunde der Brüder von Ho- henfels ihrer Burg Hohenfels an Sophie von Brabant vom 29.7.1249, in der diese der inclita domina nos- tra Sophia lantgravia Thuringie, domina Hassie et quondam ducisse Brabantie geloben, niemanden in strata, ter- ra, civitatibus, oppidis, villis, castris, ministerialibus, hominibus, conductu predicte domine nostre zu belästigen, sich aber im Falle eines Verstoßes dem Spruch der Ministerialen und Burgmannen totius terre zu stellen, Hel- frich Bernhard wenck, Hessische Landesgeschichte mit einem Urkundenbuch, Bd. 2, Urkundenbuch, Frankfurt/M. 1789, S. 171 f., Nr. 142; Grotefend/rosenfeld, S. 8 f., Nr. 24. Die Urkunde kann zu- gleich als ein Beleg dafür gelten, dass auch das Herrschaftsgebiet an der Lahn als terra begriffen wurde.
150 So in dem Bündnisvertrag Graf Bertolds I. von Ziegenhain mit Erzbischof Gerhard I. von Mainz, Gudenus, Codex diplomaticus (wie Anm. 36), Bd. 1, S. 622, Nr. 259; Grotefend/rosenfeld, S. 12, Nr. 34; im Verlauf der Urkunde ist dann freilich noch einmal von Sophie als der ducissa die Rede, S. 623. In der Urkunde Erzbischof Werners vom 19.11.1259 über den Konflikt zwischen dem Stift Fritz- lar und Konrad von Elben wird Sophie als nobilis domina relicta ducis Brabancie tituliert, Stephan Alexan- der würdtwein, Nova subsidia diplomatica ad selecta iuris ecclesiastici Germaniae et historiarum capi- ta elucidanda 4, Heidelberg 1784, S. XXIV, Nr. 1; Grotefend/rosenfeld, S. 21 f., Nr. 62. Doch auch