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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 35
richs II., das Herzogtum Brabant, war für seinen erstgeborenen Sohn Heinrich III. (1248–1261) aus seiner ersten Ehe mit Maria von Staufen († 1235) vorgesehen. Doch konnte sich Heinrichs Witwe Sophie, die als Vormund und Regentin für ihren minder- jährigen Sohn die Durchsetzung seiner Erbansprüche übernahm, – anders als zuvor ihr Gemahl Herzog Heinrich II. und erst recht als ihr Vetter Markgraf Heinrich der Erlauchte – nicht auf die Machtmöglichkeiten eines Herzogtums oder gar wie Mark- graf Heinrich auf den materiellen und personellen Rückhalt eines eigenen benachbar- ten Fürstentums stützen. Sie war vielmehr, was ihre eigene Machtbasis anbetraf, zu- nächst allein auf die ihr verbliebenen kleineren Herrschaftsgebiete an der oberen Lahn angewiesen139.
Zusätzlich erschwerend trat hinzu, dass Sophie – im Gegensatz zu Markgraf Heinrich mit seinem 1243 verbrieften Erbanspruch auf die beiden Reichsfürstentü- mer Landgrafschaft Thüringen und Pfalzgrafschaft Sachsen – nicht über einen klaren Rechtstitel verfügte. Das ludowingische Nebenland Hessen bildete, wie bereits oben gezeigt, kein mit einer Landgrafschaft oder Grafschaft vergleichbares eigenständiges Territorium140. Vielmehr stellte es mit seinen beiden so unterschiedlichen nördlichen und südlichen Teilen ein übergräfliches Konglomerat heterogener Herrschaftsrech- te dar, das im wesentlichen durch die Person seines Inhabers zusammengehalten wur- de141. Nachdem eine rechtlich präzise Bezeichnung wegen dieses Sonderstatus kaum
139 Vgl. hierzu den Beitrag von Frauke stanGe-methfessel im vorliegenden Band, der erste Ergebnis- se ihrer am Graduiertenkolleg „Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in Antike und Mittelalter“ der Otto- Friedrich-Universität Bamberg in Bearbeitung befindlichen Dissertation über Sophie von Brabant mitteilt. Das aus ihrer Jenaer Magisterarbeit zum Thema „Sophie von Brabant (1224–1275). Tochter der heiligen Elisabeth und Regentin von Hessen“ (2008) erwachsene Dissertati- onsvorhaben wird ein dringendes Forschungsdesiderat erfüllen. Der vorliegende Beitrag, der unter an- deren Aspekten einige auch in dem Dissertationsvorhaben thematisierte Fragen aufgreift und hierbei Überschneidungen nicht gänzlich vermeiden konnte, ist in enger Abstimmung und in engem Austausch mit Frau Stange-Methfessel (Weimar-Bamberg) entstanden, der ich hierfür herzlich danke.
140 Vgl. oben S. 20 ff. Auf diesen Sachverhalt verweist auch heinemeyer, Erhebung (wie Anm. 70), S. 105 f., hebt es zugleich aber als bemerkenswert hervor, „dass die Eigenschaft Hessens als selbstständiges ‚Land‘ im verfassungsrechtlichen Sinne nach 1247 offensichtlich keinem Zweifel unterlag und allgemein anerkannt war, sowohl außerhalb als auch innerhalb“. Sieht man von dem Zeugnis von 1189, oben S. 25 mit Anm. 86 ab, so liegen m. W. bis in die 1260er Jahre keine sicheren Belege dafür vor, dass die in Per- sonalunion regierten nieder- und und oberhessischen Herrschaftsgebiete als eine gemeinsame terra be- zeichnet wurden. Die von heinemeyer, S. 106 Anm. 83, zitierten Belege aus den 1250er Jahren für terra Hassie beziehen sich ausschließlich auf Nordhessen als die Hassia im engeren Sinne. Sophie von Bra- bant bezog sich, als sie 1254 von der terra nostra sprach, nur auf die nordhessischen Gebiete, die sie im selben Zusammenhang als Hassia bezeichnete, vgl. dazu unten S. 42 mit Anm. 181. Entsprechend wur- de in der Titulatur Heinrichs des Kindes der die Herrschaft Hessen kennzeichnende Titel dominus Has- sie erstmals 1267 zu DNI TERRE HASSIE erweitert; so in dem Rücksiegel des Reitersiegels Heinrichs, das erstmals bei seiner Urkunde vom 27.2.1267 nachweisbar ist, vgl. Grotefend/rosenfeld, S. 27 (zu Nr. 75) und S. 46 f., Nr. 122. Urkundlich begegnet die Titulatur dominus terre Hassie erstmals 1268, ebd. S. 48, Nr. 127, Zitat nach stanGe-methfessel, Magisterarbeit (wie Anm. 139), S. 100.
141 Treffend charakterisierte – mit Blick auf Sophies Sohn Landgraf Heinrich – bereits Konrad weide- mann, Landgraf Heinrich I. von Hessen und das Erzstift Mainz, in: ZHG 30 NF 20 (1895), S. 399–470, hier S. 404, die Herrschaft Hessen mit den Worten „Es war nur eine auf Allodien und Kirchenlehen be-