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36 MATTHIAS WERNER
möglich war und der Name „Hessen“ in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts für Jahrzehnte in den ludowingischen Herrschertiteln vermieden wurde, hatte erst die Aufwertung der Herrschaft Hessen unter ihren fürstlichen Inhabern Konrad, Her- mann II. und Heinrich Raspe dazu geführt, dass seit den frühen 1240er Jahren der Name und damit auch die Herrschaft Hessen vereinzelt wieder in die Titulatur auf- genommen wurden. Führte Herrmann II. in seiner letzten Urkunde von 1240 (?) ne- ben dem thüringischen Landgrafentitel den Titel Hassie comes und dominus Hassie142, so fügte Heinrich Raspe, der nach Hermanns II. Tod 1241 die Herrschaft Hessen wieder übernahm, in seinen beiden ersten unmittelbar danach ausgestellten Urkunden seinem Landgrafen- und Pfalzgrafentitel auch den Titel princeps Hassie bzw. dominus Hassie hin- zu143. Das gleichzeitige Nebeneinander der Titel comes Hassie, dominus Hassie und princeps Hassie und ihr erneutes, baldiges Verschwinden nach dem Frühjahr 1241144 spiegeln je- doch deutlich den unsicheren rechtlichen Status der Herrschaft Hessen wider. Umso eindrücklicher verweist es umgekehrt auf ihre faktische Rangerhöhung, dass ihre In- haber Hermann II. und Heinrich Raspe, wie schon oben erwähnt, in eben diesen Jah- ren in historiographischen und urkundlichen Zeugnissen bereits vereinzelt mit dem Titel lantgravius Hassie bedacht wurden145.
Als geeignetsten Titel, um in dieser Unsicherheit ihre Erb- und Herrschaftsansprü- che zu formulieren, sah Sophie die am wenigsten spezifische, allgemeine Bezeichnung domina Hassie an. Diese bislang höchst selten gebräuchliche Benennung, die zuvor nur je einmal unter Hermann II. und Heinrich Raspe begegnet und von ihnen wohl auch kaum öfter verwandt worden sein dürfte146, machte sie seit ihrem ersten Auftreten in Hessen im Februar 1248 zum festen Bestandteil nahezu sämtlicher ihrer Urkunden147.
gründete herrschaftliche Gewalt, welche Heinrich bei seinem Regierungsantritt vorfand“; auch sei noch-
mals auf heinemeyer, Erhebung (wie Anm. 70), S. 106, verwiesen.
142 Vgl. oben S. 26 mit Anm. 93 f.
143 doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 161 f., Nr. 951 (dazu werner, Reichsfürst [wie Anm. 4], S. 216 mit
Anm. 377), Nr. 953.
144 Es erscheint kennzeichnend, dass – in voller Entsprechung zur gemeinsamen Regierung unter Ludwig
III., Hermann I. und Ludwig IV. sowie mehrere Jahre unter Heinrich Raspe – diese Titel bereits kurz nach der erneuten Personalunion mit der Landgrafschaft Thüringen weggelassen wurden, während, wie unter Raspes Vorgängern, die Personalunion mit dem zweiten Reichsfürstentum, der Pfalzgrafschaft Sachsen, weiterhin fast durchweg in der Titulatur Berücksichtigung fand. Ebenso kennzeichnend ist es, dass Heinrich Raspe Hermanns II. Titel dominus terre prope Laginam adiacentis gänzlich unberücksichtigt ließ – die Herrschaft an der Leine war ein rechtlich ebenso wenig klar fassbares Herrschaftsgebilde wie die Herrschaft Hessen, aber in der Sicht der landgräflichen Kanzlei in ihrem Rang noch unterhalb die- ser angesiedelt.
145 Vgl. oben S. 27 mit Anm. 98 f.
146 Angesichts dieses Sachverhalts wäre eine nähere Untersuchung gewiß lohnend, ob Sophie sich bei dieser
zuvor für Hessen eher ungewöhnlichen Titulatur an brabantisch-lothringischen Vorbildern orientierte oder sich auf den ihr – wohl nur schwerlich bekannten – sporadischen Gebrauch durch ihren Bruder und ihren Oheim berief.
147 Von den maximal 24 erhaltenen Urkunden Sophies von März 1248 bis Juni 1262 – dem Zeitpunkt der ersten eigenständig ausgestellten Urkunde ihres Sohnes Heinrich – enthalten 18 diesen Titel als festen Bestandteil der Titulatur, auch die ersten Urkunden nach ihrem ersten Auftreten in den Gebieten an der


































































































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