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28 MATTHIAS WERNER
2. Die Ausgangssituation in den Jahren 1247/50
Mit dem Tod Heinrich Raspes änderte sich die machtpolitische Situation in Hessen grundlegend. Dem Anspruch auf das ludowingische Erbe, den Herzog Heinrich II. von Brabant und Sophie für dieses eben noch als principatus bezeichnete Herrschafts- gebiet erhoben, standen nun die strukturellen Probleme der Herrschaft Hessen offen gegenüber. Dies galt vor allem mit Blick auf den wichtigsten territorialen Konkurren- ten, den Erzbischof von Mainz. Ihm bot das kurzzeitige Machtvakuum nach dem Fe- bruar 1247 – noch sehr viel aussichtsreicher als in Thüringen – für das kleinräumige- re Nordhessen die einzigartige Chance, die konfliktträchtige mainzisch-ludowingische Gemengelage nach über einem Jahrhundert fast ständiger Auseinandersetzungen zu beenden. Wie nie zuvor eröffnete sich die Möglichkeit, diese Region, die mit Fritz- lar als dem „Hauptstützpunkt der mainzischen Macht im hessischen Raum“ (Günter Christ) das zentrale Bindeglied zwischen den westlichen Basislandschaften des Erz- stifts an Mittelrhein und Untermain und den großen östlichen Teilen im heutigen Süd- niedersachsen und Thüringen bildete, zu einem „mainzischen Land Hessen“ (Karl Heinemeyer) umzuformen102.
Entsprechend rasch griff Erzbischof Siegfried III. ein103. Noch bevor die in Bra- bant weilenden Erben tätig werden konnten, nahm er im März 1247 das Landgericht Maden als heimgefallenes Lehen seiner Kirche in Besitz und brachte damit gleichsam den Kern der ludowingischen Herrschaft in der Hassia in seine Hand104. Gleichzeitig besetzte er das bisher landgräfliche Gericht Kirchditmold (heute Ortsteil von Kassel) und suchte die Stellung der ludowingischen Stadt Kassel zu schwächen105. In dem sel-
102 christ (wie Anm. 34), S. 322; heinemeyer, Aufbau (wie Anm. 33), S. 66.
103 Gewiss traf es sich dabei günstig, dass er sich, als ihn die Nachricht vom Tod Heinrich Raspes am
17.2.1247 erreichte, ohnehin bereits in der Region aufhielt. Am 1.2.1247 ist er, in Ausübung seiner Stell- vertretung für den Abt von Fulda, in Fulda bezeugt. Von dort dürfte er sich spätestens nach dem Er- halt der Todesnachricht Heinrich Raspes an seinen Hauptort Fritzlar begeben haben, wo er am 27.2. bezeugt ist und wo er sich bis Ende März aufhielt, um hier die wesentlichen Entscheidungen in der neu- en Situation zu treffen; spätestens am 1.4. war er wieder in Mainz, Böhmer/will, XXXIII (Erzbischof Siegfried III.), S. 292 f., Nr. 585, 587, 590, 593. Zu seinem Aufenthalt in Fritzlar und seinen Maßnah- men zum „Machtwechsel“ in Nordhessen vgl. als eingehendste Darstellung noch immer ilGen/VoGel, S. 248–256.
104 Dies wie auch das Folgende geht aus der am 26.3.1247 in Fritzlar ausgestellten Urkunde der Gebrüder von Wolfersdorf über ihre Belehnung mit dem Gericht Kirchditmold durch den Erzbischof hervor, Gudenus, Codex diplomaticus (wie Anm. 36), Bd. 1, S. 596 ff., Nr. 246; Böhmer/will, XXXIII (Erzbi- schof Siegfried III.), S. 293, Nr. 592; Grotefend/rosenfeld, S. 1, Nr. 4. Vgl. zuletzt hierzu heinemey- er, Aufbau (wie Anm. 33), S. 88; zur Diskussion über die Anfänge und Begründung der vom Mainzer Erzbischof beanspruchten Lehnshoheit über die Grafschaft Hessen vgl. dens., Erhebung (wie Anm. 70), S. 104 mit Anm. 73, der es wie ähnlich bereits ilGen/VoGel, S. 226 mit Anm. * – m. E. überzeu- gend – für denkbar hält, dass der Erzbischof erst in der für ihn überaus günstigen Situation nach dem Aussterben der Ludowinger diese Ansprüche erhob, um die Grafschaft, die Fritzlar umschloss, in seine Hand zu bringen. Zur Bedeutung des Landgerichts Maden als „staatsrechtlicher Ansetzungspunkt“ für die Herrschaft in Nordhessen siehe unten S. 86 mit Anm. 385.
105 Wie Anm. 104.