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26 MATTHIAS WERNER
ren Angehörigen seines Hauses, nunmehr seinem damals 16-jährigen Neffen Hermann, dem Sohn Landgraf Ludwigs IV.92. Hermann, dem die landgräfliche Kanzlei bereits nach Erlangung der Mündigkeit 1234 den thüringischen Landgrafen- und sächsischen Pfalz- grafentitel beigelegt hatte, titulierte sich in seiner kurzen Regierungszeit 1238/40 als Inha- ber Hessens wie bereits zuvor Konrad als junior lantgravius bzw. als Thuringie iunior lantgra- vius93. Er führte aber im Unterschied zu diesem in der letzten seiner wenigen erhaltenen Urkunden zusätzlich den Titel Hassie comes und dokumentierte seine Herrschaft in Hessen mit dem Titel dominus Hassie auch in der Umschrift seines zweiten Siegels94.
Deutlich erkennbar also strebte Heinrich Raspe – ob von sich aus oder durch die Notwendigkeit einer angemessenen Abschichtung gezwungen – mit der Übertragung der Herrschaft Hessen eine Mitbeteiligung jüngerer Familienmitglieder in der Weise an, dass diese zwar keine Reichslehen erhielten, ihren persönlichen dynastisch-fürstli- chen Rang als lantgravius aber bewahrten95. Faktisch lief dies im Falle von Nachkom- men auf eine dauerhafte Loslösung Hessens von dem thüringisch-pfalzgräflichen Hauptteil des ludowingischen Herrschaftskomplexes unter einer eigenen fürstlichen Linie innerhalb des ludowingischen Familienverbandes hinaus, wie dies bei Landgraf Konrad 1232 bereits ausdrücklich in Betracht gezogen war96. Wie sehr sich hierdurch – über den fürstlichen Stand ihrer Inhaber – auch der Rang der Herrschaft Hessens zu erhöhen begann, zeigt ihre Bezeichnung durch Landgraf Hermann II. als principa- tus97. Entsprechend wurde Hermann – allerdings nur in einem zeitgenössischen his-
92 werner, Reichsfürst (wie Anm. 4), S. 208–215.
93 Ebd., S. 210 mit Anm. 351, unter Hinweis auf die drei erhaltenen Urkunden Hermanns II. aus der Zeit
vom 1.7.1238 bis Ende 1240, doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 127, Nr. 737; S. 137 f., Nr. 801; S. 160, Nr. 945; die dortige Angabe, Hermann II. habe sich ohne territorialen Bezug lediglich als lantgravius tituliert, ist zu korrigieren, da die letzte dieser Urkunden die Titulatur: Hermannus dei gracia Thuringie iunior lantgravi- us; Hassie comes, dominus terre prope Laginam adiacentis aufweist, vgl. Josef dolle, Urkundenbuch der Herr- schaft Plesse (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Niedersachsens 26), Hannover 1998, S. 161, Nr. 121.
94 Vgl. Anm. 93. Die nur abschriftlich überlieferte Siegelumschrift lautet: SIGILLUM HERMANNI IUNIORIS LANTGRAVII ET DOMINI HASSIE, dolle, UB Plesse (wie Anm. 93), S. 161, Vorbe- merkung zu Nr. 121. Das ältere, 1238 überlieferte Siegel trägt die Umschrift HNI FILII LVII IN THURI, Eckhart G. franz (Bearb.), Kloster Haina. Regesten und Urkunden, Bd. 1: 1144–1300 (VHKH 9,5), Marburg 1962, S. 65 f., Nr. 99.
95 Treffend charakterisierte dies heinemeyer, Erhebung (wie Anm. 70), S. 107, für den Sohn Sophies von Brabant, Heinrich das Kind mit den Worten: „Er war sozusagen ein Titular-Landgraf ohne Landgraf- schaft“.
96 werner, Reichsfürst (wie Anm. 4), S. 150 f.
97 Vgl. ebd., S. 208 f. mit Anm. 346. Bereits schwind, Thüringen (wie Anm. 70), S. 18, betonte, dass Her-
manns II. „hessische ‚Nebenregierung‘ offenbar ein starkes Eigengewicht gegenüber der Herrschaft in Thüringen“ gewann. Andererseits verweist es, wie bereits unter Hermann I., vgl. oben Anm. 84, erneut auf den rechtlich ungeklärten Status der von ihm mit fürstlichen Attributen versehenen Herrschaft Hes- sen, wenn Hermann II. in seiner letzten Urkunde von 1240 (?), die er auf dem Leineberg-Gericht bei Göttingen ausstellte, nach dem Titel Thuringie iunior lantgravius und vor dem Titel dominus terre prope Lagi- nam adiacentis noch einmal den Titel Hassie comes führte, der hier zum letzten Mal begegnet, während er sich auf dem Siegel dieser Urkunde nur als jüngerer Landgraf und DOMINUS HASSIE titulierte, vgl. Anm. 93 und 94.


































































































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