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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 19
gen in die nordwestlichen Grenzgebiete Thüringens, insbesondere in den Werraraum, gelang es ihnen, „bestimmte Erbansprüche bereits früh durchzusetzen“54.
Anders als Quedlinburg und Fulda vermochten hingegen die Mainzer Erzbischö- fe die Situation nach dem Tod Heinrich Raspes nicht dazu zu nutzen, die Verfügungs- gewalt über die durch Heinrich Raspes Tod ledig gewordenen Kirchenlehen der Lu- dowinger in Thüringen zurück zu gewinnen. Im Unterschied zu Hessen scheinen sie keinerlei gezielte Versuche in diese Richtung unternommen zu haben, obgleich auch in Thüringen die Mainzer Lehen einen erheblichen Umfang besaßen und eine we- sentliche Grundlage der landgräflichen Herrschaft darstellten55. Dies lag – neben der Schwächung durch die raschen Wechsel an der Spitze des Erzbistums in diesen Jahren von Siegfried III. († 1249) über Christian II. (1249–1251) zu Gerhard I. (1251–1259) und der vielfachen Einbindung in die von der Endphase des Königtums Konrads IV. geprägte Reichspolitik – wesentlich wohl an der rasch erreichten Vormachtstellung Heinrichs des Erlauchten in Thüringen56. Eine Herausgabe oder gar Neubesetzung der von ihm von seinem ludowingischen Vorgänger übernommenen Mainzer Lehen wäre nur unter größtem politischen und militärischen Aufwand durchsetzbar gewesen.
Es lag aber auch an der Zurückhaltung der Kurie, die sich mit Blick auf die Situati- on im Reich und auf die Durchsetzung König Wilhelms von Holland scheute, mit all- zu großer Schärfe gegen Heinrich von Meißen vorzugehen57. Vor diesem Hintergrund erwies sich auch das einzige dem Erzbischof noch verbliebene Mittel der Exkommu- nikation als weitgehend wirkungslos. Hatten offenbar schon Siegfried III. († 9.3.1249) und sein bis Juli 1251 amtierender Nachfolger Christian II. Markgraf Heinrich und So- phie von Brabant wegen der zu Unrecht einbehaltenen Mainzer Lehen ohne erkenn- bare Wirkung exkommuniziert, so verhängte der neue Erzbischof Gerhard I. im März
pes (1241–1247) offenbar wieder zum thüringischen Teil des ludowingischen Herrschaftskomplexes ge- zählt wurde und vor 1258, am ehesten doch wohl mit ilGen/VoGel, S. 302 f., in engerem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb Allendorfs 1248, unter ungeklärten Umständen an Herzog Albrecht I. von Sachsen gelangte. Zur Stadtgründung vgl. Hans Patze, Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen (Mitteldeutsche Forschungen 22), Köln, Graz 1962, S. 463 f.; strickhausen (wie Anm. 51), S. 235 f.; zur Gesamtproblematik siehe jetzt den Beitrag von Helge wittmann im vorliegenden Band.
54 teBruck, Pacem confirmare (wie Anm. 7), S. 254 (Zitat); lutz (wie Anm. 9), S. 242 f.
55 Auch wenn lutz (wie Anm. 9), S. 249, mit seiner Bemerkung: „Ohne die Mainzer Lehen war Thürin- gen ein Torso“ ihren Umfang zweifellos überschätzt, so ist doch mit einer bedeutenden Zahl wichti- ger erzstiftischer Güter und Rechte in landgräflicher Hand zu rechnen, die noch erheblich über die im Udestedter Vertrag von 1254 genannten Lehen hinaus ging, vgl. dazu enGel (wie Anm. 383), S. 37 ff., sowie als derzeit umfassendsten Überblick über die Güter und Rechte des Erzstifts in Thüringen ein-
schließlich der an die Landgrafen vergabten Lehen christ (wie Anm. 34), S. 395–423.
56 Paul-Joachim heiniG, Die Mainzer Kirche am Ende des Hochmittelalters (1249–1305), in: Friedhelm JürGensmeier (Hrsg.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, Bd. 1. Christliche Antike und Mittel- alter. Teil 1 (Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 6, 1/1), Würzburg 2000, S. 347–415, hier S. 347– 358; eingehend zur erzbischöflichen Politik in Thüringen nach 1247 lutz (wie Anm. 9), S. 250–254 und
heinemeyer, Aufbau (wie Anm. 33), S. 66 f.
57 lutz (wie Anm. 9), S. 251 mit Anm. 147, hier auch der Hinweis auf das kennzeichnende Mahnschrei-
ben Papst Innozenz’ IV. vom 19.2.1251 an Heinrich den Erlauchten, doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 303, Nr. 1905.


































































































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