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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 25
die Herrschaft über die hessischen Gebiete übernahm84. Damit erfolgte ein merklicher Wechsel in der Stellung Hessens innerhalb des ludowingischen Herrschaftskomplexes. Wie Landgraf Ludwig III. (1172–1190) regierten auch dessen Nachfolger Hermann I. (1190–1217) und Ludwig IV. (1217–1227) die hessischen Herrschaftsgebiete in Per- sonalunion mit Thüringen und der Pfalzgrafschaft Sachsen, wobei vor allem Lud- wig IV. sie fest in seine straffe Alleinregierung einband85. Diesen Bemühungen um ei- nen engeren Zusammenschluss der ludowingischen Herrschaftsbereiche in Thüringen und Hessen86 entsprach es, dass nach 1191 unter Hermann I. und Ludwig IV. Hessen, das 1189 für Ludwig III. noch eine eigene terra neben Thüringen gewesen war87, nicht mehr in die Titulatur aufgenommen und damit auch nicht mehr ausdrücklich als eige- nes Herrschaftsgebiet behandelt wurde88.
Umso folgenreicher war es für die künftige Entwicklung, dass Ludwigs IV. Nach- folger Heinrich Raspe wieder von dieser Praxis abwich und Hessen 1231 seinem jünge- ren Bruder Konrad überließ89. Im Unterschied allerdings zu seinen Vorgängern des 12. Jahrhunderts in der Sekundogenitur Hessen, die lediglich den comes-Titel trugen, führte Konrad den Titel eines lantgravius bzw. eines lantgravius Thuringie90. Als Angehöriger eines Fürstenhauses, das zu den vornehmsten reichsfürstlichen Familien des Reiches zählte, be- anspruchte er damit seit seiner Mitbeteiligung an der Regierung – auch wenn sein Herr- schaftsanteil Hessen kein Reichslehen war – eine persönliche Rangstellung als Fürst. Diese Rangerhöhung spiegelte zugleich auch eine „Aufwertung Hessens“91 (Fred Schwind) im ludowingischen Herrschaftsgefüge wider und sollte zweifellos ebenso für die Nachkom- men Konrads als die neue hessische Linie des ludowingischen Hauses gelten. Allerdings nahm Konrad als der erste fürstliche Inhaber allein der Herrschaft Hessen den Namen Hessen nicht in seine Titulatur auf. Als Konrad sich 1234 mit seinem Eintritt in den Deut- schen Orden in Marburg aus seiner Regierungstätigkeit zurückzog, überließ Heinrich Ras- pe nach einer Phase der Alleinregierung 1238 die Herrschaft Hessen erneut einem jünge-
84 Allerdings führte Landgraf Hermann I. 1191 neben seinen fürstlichen Titeln auch noch einmal den Ti- tel comes Hassie, CDS I, 2, S. 393, Nr. 569; doBenecker, Regesta, Bd. 2, S. 168, Nr. 881, wobei diese schwankende Bezeichnung der Herrschaft Hessen ihren rechtlich nicht eindeutigen Status kennzeich- nen dürfte. Ein letztes Mal begegnet dieser Titel 1240 bei Landgraf Hermann II., dazu unten S. 26 mit Anm. 93.
85 werner, Reichsfürst (wie Anm. 4), S. 136 f.
86 Deutlich erkennbar wird die einheitliche Regierung in utraque terra in den Zollbefreiungen Ludwigs III.,
Ludwigs IV. und Heinrich Raspes für die Klöster Lippoldsberg und Spieskappel von 1182/85, 1189 (Zi- tat), 1218/27 und 1229, in denen neben thüringischen Städten stets auch die hessischen Städte Münden und Kassel genannt werden, doBenecker, Regesta, Bd. 2, S. 139, Nr. 732; S. 157 f., Nr. 834 (Zitat); S. 431, Nr. 2423; ders., Regesta, Bd. 3, S. 14 f., Nr. 66.
87 Vgl. Anm. 86.
88 Vgl. dazu auch Patze, Landesherrschaft (wie Anm. 53), S. 507.
89 Dazu ausführlich werner, Reichsfürst (wie Anm. 4), S. 145–156; anders lutz (wie Anm. 9), S. 228, der
die territoriale Vereinigung Ober- und Niederhessens mit Thüringen als ein Hauptziel auch Heinrich
Raspes betrachtet.
90 werner, Reichsfürst (wie Anm. 4), S. 146; vgl. auch schwind, Thüringen (wie Anm. 70), S. 17.
91 schwind, Thüringen (wie Anm. 70), S. 17.