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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 23
von einander getrennten Herrschaftsbereichen, die jeweils wiederum auch in sich stark aufgesplittert waren. Hierbei handelte es sich zum einen um die eigentliche Hassia, die zwischen Fulda und Eder gelegene und bis nach Wolfhagen und (Hannoversch-) Münden reichende Grafschaft Hessen, die den Schwerpunkt der gesamten ludowin- gischen Herrschaft Hessen bildete71. Ihre Zentren waren das Landgericht Maden mit der unmittelbar benachbarten Gudensburg und das als Reichslehen erworbene Kas- sel72. Der zweite, kleinere und noch stärker zersplitterte Herrschaftsteil war das Land an der (oberen) Lahn mit dem Mittelpunkt Marburg, zu dem offenbar auch die süd- östlich davon zwischen Lahn, Ohm und Schwalm gleichsam als „Herrschaftsinseln“ gegründeten Ludowingerstädte Grünberg, Homberg und Alsfeld zählten73. Während der südliche Herrschaftsteil an der Lahn im wesentlichen auf allodialer Grundlage – dem sog. Gisonischen Erbe von 1122 – und auf vorwiegend Hersfelder Kirchenlehen beruhte74, beanspruchte im nördlichen Teil, der im Kern ebenfalls auf das gisonische Erbe zurückging, der Mainzer Erzbischof die Lehnshoheit über das Landgericht Ma- den und damit über die gesamte Grafschaft Hessen. Dort war der Anteil an Kirchen- lehen insbesondere von Mainz, Fritzlar und Hersfeld offenbar noch deutlich höher75.
Eine territoriale Vereinigung der beiden nördlichen und südlichen Herrschaftsteile war in ludowingischer Zeit ausgeschlossen, da zwischen ihnen „wie eine Barriere die Grafschaft Ziegenhain“ 76 sowie Güter und Herrschaftsstützpunkte des Mainzer Erz- stifts und die Herrschaftsgebiete des Grafen von Waldeck und kleinerer Herrschafts-
zum Reichsfürsten (1292), in: Walter heinemeyer (Hrsg.), Hundert Jahre Historische Kommission für Hessen 1897–1997. Festgabe dargebracht von Autorinnen und Autoren der Historischen Kommission (VHKH 61), Marburg 1997, S. 89–113, hier S. 102–108, und dens., Aufbau (wie Anm. 33), S. 59–64.
71 Zu dem für unsere Fragen wichtigen Problem der Abgrenzung nach Thüringen vgl. Michael Gockel, Die Westausdehnung Thüringens im frühen Mittelalter im Lichte der Schriftquellen, in: ders., Aspekte (wie Anm. 70), S. 49–66, hier besonders S. 57 f. und die beigegebene Karte (Wiederabdruck im Beitrag von Helge wittmann im vorliegenden Band), sowie für die ludowingische Zeit als Einzelbeispiele etwa Wilhelm A. eckhardt, Der Kaufungerwald – Königsforst oder Königswald, in: heinemeyer (Hrsg.), Hundert Jahre (wie Anm. 70), S. 47–58, hier S. 56 f., und die oben Anm. 53 angesprochene schwanken- de Zugehörigkeit von Witzenhausen; vgl. auch den Beitrag von Helge wittmann im vorliegenden Band.
72 Vgl. schwind, Thüringen (wie Anm. 70), S. 10; Winfrid schich, Die Entstehung der Stadt Kassel. 1075 Jahre Kassel – 800 Jahre Kassel, Kassel 1992, S. 10–20, sowie jetzt auch den Beitrag von Otto Volk im vorliegenden Band.
73 schwind, Thüringen (wie Anm. 70), S. 10, 14. Karte im vorliegenden Band S. 64 f.
74 Dazu ausführlich Patze, Landesherrschaft (wie Anm. 53), S. 196–200, sowie zuletzt Tobias weller, Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (Rhein.Arch. 149), Köln u. a. 2004, S. 591 ff.
75 schwind, Thüringen (wie Anm. 70), S. 10; heinemeyer, Erhebung (wie Anm. 70), S. 103; weller (wie Anm. 74), S. 591 ff., sowie Otto Volk im vorliegenden Band. Zur Lehensabhängigkeit des Landgerichts
Maden vom Mainzer Erzbischof vgl. unten S. 28 Anm. 104.
76 Vgl. dazu schwind, Thüringen (wie Anm. 70), S. 14 (Zitat); Hessen 1247–1567, Karte 13 a, Entwurf
Barbara demandt-haarBerG, in: Geschichtlicher Atlas von Hessen, begründet und vorbereitet durch Edmund E. stenGel, bearb. von Friedrich uhlhorn, Marburg 1966, und Friedrich uhlhorn, Fred schwind, Die territoriale Entwicklung Hessens 1247–1866, in: schwind, Atlas (wie Anm. 34), S. 71 ff., sowie die Karte „Die Landgrafschaft Hessen nach 1264“ bei heinemeyer, Hochmittelalter (wie Anm. 70), nach S. 168. Die Vereinigung von Nieder- und Oberhessen gelang endgültig erst 1450 durch den Anfall der Grafschaft Ziegenhain an die Landgrafschaft Hessen.