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40 MATTHIAS WERNER
Die viel diskutierte Nachricht164, die allein von den Prediger-Annalen überliefert wird, ist ein Schlüsselzeugnis für die gesamten Vorgänge in Hessen und Thüringen nach dem Tod Heinrich Raspes. Ihr detailliert unterrichteter Autor, Erfurter Domi- nikaner und einer der wichtigsten Gewährsmänner für das Geschehen dieser Jahre im Reich und in Mitteldeutschland, gibt sich in seinem Annalenwerk deutlich als An- hänger des ausgestorbenen ludowingischen Landgrafenhauses165, als Gegner Mark- graf Heinrichs von Meißen und der wettinischen Herrschaftsübernahme in Thürin- gen166 sowie als Parteigänger des von ihm – gleichsam als Gegenbild zu Heinrich dem Erlauchten – bemerkenswert gerühmten König Wilhelms von Holland zu erkennen167. Doch trotz dieser klaren politischen Präferenzen und Darstellungsabsichten darf sein Bericht zu 1250 als weitestgehend glaubwürdig gelten. Dies umso mehr, als er in zent- ralen Punkten durch die urkundliche Überlieferung verifiziert werden kann168.
Ihr ist eindeutig zu entnehmen, dass sich die Wartburg 1250 in der Verfügungsge- walt Sophies befand169 und damit zu jenen ludowingischen Alloden und Kirchenlehen in Thüringen zählte, die nach der Erbteilung von 1243 an die Nachkommen Ludwigs IV. fallen sollten und von diesen erfolgreich beansprucht wurden170. Die eigentümli-
164 Verwiesen sei hier lediglich auf ilGen/VoGel, s. 237 f., 290–296, Lutz (wie Anm. 9), S. 248 f., und te- Bruck, Pacem confirmare (wie Anm. 7), S. 295 f.; eingehend hierzu kälBle im vorliegenden Band.
165 Vgl. etwa das Zitat oben S. 5 mit Anm. 1.
166 Heinrich der Erlauchte wird von ihm als Invasor und Usurpator dargestellt, der sich das Land mit Ge-
walt unterwarf, so insbesondere Annales Erphordenses (wie Anm. 1), S. 101 (ad a. 1247) und S. 107 f. (ad a. 1250): violenter ac iniuste occupavit. Diesem negativen Bild eines gewalttätigen Eroberers entspricht es, wenn der Autor vermerkt, Heinrich der Erlauchte sei (im Sommer 1248) complurium viduarum pupillo- rumque maledictionibus in terram suam, [sc. die Mark Meißen] zurückgekehrt, ebd., S. 104.
167 Bereits anlässlich seiner Wahl stellt er heraus: vir utique pacificus ac modestia et continentia, ut dicitur, insignitus, ebd. S. 102. Er rühmt, dass den König als de die in diem tam coram Deo quam coram hominibus crescens, und preist seine Herrschertugenden: Nam pacis amator, iustus atque districtus iudex moribusque maturus, pius ac mitis apparebat et humilis, ebd. S. 111.
168 So nachdrücklich bereits ilGen/VoGel, S. 183 und S. 291 mit Anm. **.
169 Es dürfte schwerlich anders zu erklären sein, dass sich Sophie bereits am 23.2.1250 auf der Wart-
burg aufhielt, während Markgraf Heinrich noch am 28.2. in Mittelhausen weilte, bevor beide dann am
2.3.1250 in Eisenach zusammen trafen, doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 286, Nr. 1789–1791.
170 In der Forschung, insbesondere bei ihren älteren Vertretern, überwiegt die Vorstellung, Herzog Hein- rich II. von Brabant habe bei seinem vermuteten Besuch auf der Wartburg im Mai 1247, vgl. dazu oben S. 34 mit Anm. 135, „von dieser Burg im Namen seines Sohnes Besitz ergriffen“, so ilGen/VoGel, S. 291 Anm. **, und noch nachdrücklicher wenck (wie Anm. 25), S. 223; hingegen lässt es die jüngere For- schung eher offen, wie Sophie an den Besitz der Wartburg gelangte, vgl. etwa hussonG (wie Anm. 9), S. 27. Es ist, wie der Zugriff Graf Siegfrieds I. von Anhalt oder Herzog Ottos von Braunschweig auf lu- dowingisches Gebiet in Thüringen und Hessen unmittelbar nach dem Tode Heinrich Raspes zeigt, vgl. oben S. 18 f. und 31 f., gut denkbar, dass es in der unsicheren Situation im Frühjahr 1247 auch andern- orts, namentlich im hessisch-thüringischen Grenzgebiet zu Besetzungen und Inbesitznahmen ludowin- gischer Güter kam. Dennoch ist es m. E. wenig wahrscheinlich, dass Herzog Heinrich II. bzw. Sophie ei- nen so bedeutsamen Ort wie das nobile illud castrum Wartberc ohne Rechtsgrundlage in ihre Hand bringen konnten und dass diese Aneignung dann 1250 von Heinrich dem Erlauchten anerkannt wurde. Wesent- lich wahrscheinlicher ist es, dass die Wartburg von Anfang an zu jenen ludowingischen Alloden gehör- te, die bei der Teilung von 1243 der Linie Landgraf Ludwigs IV. als Abfindung für die Heinrich dem Er- lauchten übertragenen Fürstentümer zugesprochen wurden, vgl. dazu oben S. 12 ff. Dies würde es auch