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10 MATTHIAS WERNER
Leine wie – in wesentlichen Grundzügen – noch die innerdeutsche Grenze nach 1945 und die Grenzziehung der heutigen Bundesländer Thüringen, Hessen und Nieder- sachsen von 1990.
Ein Glied in der Ereigniskette, die zu dieser folgenreichen Umgestaltung führ- te, waren die Langsdorfer Verträge von 1263. Welche Bedeutung kam ihnen bei den Weichenstellungen der beiden Jahrzehnte nach 1247 zu? Der folgende Beitrag möch- te eine Antwort versuchen, indem er das eng aufeinander bezogene Geschehen jener Jahre in Thüringen, Hessen, Mainz, Meißen, Sachsen und Braunschweig mit Blick auf unsere Fragestellungen erneut übergreifend betrachtet9 und hierbei das Augenmerk besonders auf die Entwicklung in Hessen richtet. Für sie nahmen die Langsdorfer Verträge als dauerhafter Ausgleich nach über 15-jährigem hessisch-mainzischem Kon- flikt eine Schlüsselstellung ein. Die Einbindung Hessens in das Gesamtgeschehen ver- spricht nähere Aussagen darüber, ob den Langsdorfer Verträgen ein ähnlich zentra- les Gewicht auch in dem größeren Kontext der damaligen Ereignisse beizumessen ist. Eng mit dieser übergreifenden Einordnung verbunden ist die Frage, welche reichsge- schichtlichen Dimensionen die politisch-territorale Umgestaltung im thüringisch-hes- sisch-sächsischen Raum in den Jahren 1247/64 besaß und inwieweit sie zu einer Neu- gestaltung in der Mitte des Reiches führte.
I. Die Erb- und Nachfolgeregelung Landgraf Heinrich Raspes von 1243
Die im Frühjahr 1247 ausbrechenden Auseinandersetzungen um das ludowingische Erbe, an denen sich mehrere – z. T. höchst unterschiedlich geleitete – Parteien betei- ligten, waren angesichts der Chancen plötzlichen, erheblichen territorialen Zugewinns von einem komplexen Mit- und Nebeneinander lehn- und erbrechtlicher Anspruchs- legitimierung, machtpolitischer Durchsetzung und usurpatorischen Zugriffs geprägt. Hinzu trat, dass einige der wichtigsten Akteure wie Markgraf Heinrich der Erlauch- te von Meißen (1221–1288), die Mainzer Erzbischöfe Siegfried III. (1230–1249), Ger- hard I. (1251–1259) und Werner (1259–1284), die Braunschweiger Herzöge Otto I.
Grundlegend und in vieler Hinsicht bis heute unerreicht bleibt die detaillierte Gesamtuntersuchung des sog. „thüringisch-hessischen Erbfolgekrieges (1247–1264)“, die ilGen/VoGel vor 130 Jahren vorleg- ten und der auch der vorliegende Beitrag in wesentlichen Punkten verpflichtet ist. Während an älteren Untersuchungen immerhin noch die entsprechenden Passagen bei Franz Xaver weGele, Friedrich der Freidige, Markgraf von Meißen, Landgraf von Thüringen, und die Wettiner seiner Zeit (1247–1325). Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Reiches und der wettinischen Länder, Nördlingen 1870, S. 6–40 zu nennen sind, wurden die Vorgänge in der jüngeren Forschung kaum mehr eingehender un- tersucht. Eine gewisse Ausnahme bilden lediglich Wolf Rudolf lutz, Heinrich der Erlauchte (1218– 1288), Markgraf von Meißen und der Ostmark (1221–1288), Landgraf von Thüringen und Pfalzgraf von Sachsen (1247–1263) (Erlanger Studien 17), Erlangen 1977, S. 227–282, sowie die wichtige Detail- studie von teBruck, Pacem confirmare (wie Anm. 7). Weiterführend von hessischer Seite m. E. zuletzt vor allem Ulrich hussonG, Sophie von Brabant, Heinrich das Kind und die Geburtsstunde des Landes Hes- sen. Eine Marburger Legende (Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 40), Marburg 1992, S. 5–42.
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