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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 7
Tode zu einem komplizierten Auseinandersetzungs- und Ausgleichsprozess um das lu- dowingische Erbe, der in seinen Auswirkungen nahezu das gesamte Gebiet in der Mit- te des Reiches zwischen Rhein und Elbe erfasste und bis in die Mitte der 1260er Jahre andauerte. Die folgenreichen Vorgänge waren, und dies verlieh ihnen eine zusätzliche Dimension, aufs engste mit den gleichzeitigen, einschneidenden Umbrüchen im Reich verknüpft7. Sie fielen zusammen mit dem Ende der staufischen Herrschaft im Imperi- um durch den Tod Kaiser Friedrichs II. 1250 und im deutschen Reich durch den Ab- zug König Konrads IV. im Herbst 1251 nach Italien, mit dem zunächst schwachen, dann zunehmend erstarkenden Königtum des 1247 zum Nachfolger Heinrich Raspes gewählten Wilhelm von Holland, dessen früher Tod in Friesland im Januar 1256 eine erneute tiefe Zäsur bedeutete, und schließlich mit dem weitgehenden Ausfall der Kö- nigsgewalt nach der Doppelwahl von 1257 unter den Königen Richard von Cornwall (1257–1272) und Alfons von Kastilien (1257–1273/75)8. An ihrem Ende standen die Eingliederung der Landgrafschaft Thüringen und der Pfalzgrafschaft Sachsen in den Herrschaftskomplex der wettinischen Markgrafen von Meißen, die Formierung der Herrschaft Hessen als eigenständiges, quasi fürstliches Herrschaftsgebilde unter der sich neu herausbildenden fürstlichen Dynastie der künftigen Landgrafen von Hessen, weiterhin bedeutende territoriale Gewinne der welfischen Herzöge von Braunschweig im Nordwesten des ehemaligen ludowingischen Einflussbereichs an der oberen Leine bis hin zur Werra und schließlich erhebliche Verschiebungen in der hessisch-thüringi- schen Grenzzone westlich der Werra zugunsten der künftigen Landgrafschaft Hessen.
Die damals geschaffenen politischen Zuordnungen, politischen Einheiten und ter- ritorialen Grenzziehungen liefen auf eine weitreichende Um- und Neugestaltung der unter ludowingischer Herrschaft gewachsenen politischen Verhältnisse hinaus. Sie hat- ten, im Unterschied zu den meisten vorangegangenen und künftigen Erb- und Herr- schaftsteilungen in diesem Raum, trotz zahlreicher innerer und äußerer Konflikte Be- stand, und sie erwiesen sich über alle Wechselfälle der nachfolgenden Jahrhunderte hinweg im Kern als dauerhaft. So orientierte sich die neuzeitliche territorialstaatliche Gliederung dieser Region ebenso an den 1247/64 entstandenen Abgrenzungen der hessischen, welfischen und thüringisch-wettinischen Einflussbereiche an Werra und
Auf diesen Sachverhalt wies jüngst noch einmal nachdrücklich Stefan teBruck, Pacem confirmare – iu- sticiam exhibere – per amiciciam concordare. Fürstliche Herrschaft und politische Integration: Heinrich der Erlauchte, Thüringen und der Weißenfelser Vertrag von 1249, in: Jörg roGGe, Uwe schirmer (Hrsg.), Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600). Formen – Legitimation – Repräsen- tation (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 23), Stuttgart 2003, S. 243–303, hier S. 293, hin, der es S. 250 Anm. 20 als „bemerkenswert“ bezeichnete, „wie wenig der thüringisch-hessische Erbfolgekrieg bislang in seiner reichsgeschichtlichen Bedeutung gewürdigt worden ist“.
Letzter Überblick zur spätstaufischen Zeit und zum sog. Interregnum und ausführliche Zusammen- fassung des aktuellen Forschungsstandes bei Wolfgang stürner, Dreizehntes Jahrhundert, 1198–1273 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 6), 10. Aufl. Stuttgart 2007, S. 273–313. Vgl. jüngst auch Anton neuGeBauer, Klaus kremB, Jürgen keddiGkeit (Hrsg.), Richard von Cornwall. Römisch- deutsches Königtum in nachstaufischer Zeit (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 25), Kaiserslautern 2010.
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