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6 MATTHIAS WERNER
mittlerer Saale, oberer Lahn, Fulda, Eder und oberer Leine zu bislang unerreichter Machtfülle geführt4. Nicht nur hatte er die beiden ludowingischen Reichsfürstentümer, die Landgrafschaft Thüringen und die nördlich der unteren Unstrut gelegene kleine Pfalzgrafschaft Sachsen, sowie die Herrschaft Hessen mit ihren Zentren Gudensberg, Kassel und Marburg und das Land an der Leine südlich von Göttingen mit Ausnahme weniger Jahre stets in seiner Hand vereint. Vielmehr war es ihm in Fortführung der Po- litik seines Bruders wie keinem seiner Vorgänger gelungen, die zahlreichen gräflichen und edelfreien Herrschaftsträger innerhalb dieses weiten, politisch stark zersplitterten Raumes, insbesondere in Thüringen, fest in seine Oberherrschaft zu integrieren bzw. an sich zu binden und den Einfluss des Mainzer Erzbischofs als seines wichtigsten territorialen Konkurrenten sowohl in Thüringen als auch in Hessen deutlich zurück- zudrängen. Dank dieser überaus erfolgreichen Herrschaftskonzentration stieg der lu- dowingische Herrschaftskomplex in den 1230/40er Jahren zum bedeutendsten fürst- lichen Machtfaktor in der Mitte des Reiches auf.
Gleichzeitig mit dem Aufbau seiner überragenden territorialen Machtposition ge- wann Heinrich Raspe auch in der Reichspolitik führenden Einfluss. 1246, auf dem Höhepunkt des Konfliktes zwischen Kaiser Friedrich II. und dem Papsttum, wurde er auf päpstliches Betreiben und mit päpstlicher Finanzierung zum Nachfolger der 1245 vom Papst abgesetzten Staufer Friedrich II. und Konrad IV. gewählt5. Zur Durchset- zung seines durchaus nicht aussichtslosen Königtums sollte ihm – neben der immen- sen materiellen Unterstützung durch die Kurie – zunächst vor allem sein großer thü- ringisch-hessischer Herrschaftsbereich als Basislandschaft und Hausmachtgrundlage dienen6. Sein früher Tod am 16. Februar 1247 auf der Wartburg – keine neun Mona- te, nachdem er mit seiner Wahl zum römisch-deutschen König den über zweihundert- jährigen Aufstieg seines Hauses zum Gipfel geführt hatte – machte diese Pläne jäh zu- nichte.
Heinrich Raspe war trotz dreier Ehen kinderlos geblieben und hinterließ ledig- lich Erben unterschiedlich entfernter Verwandtschaftsgrade. Dies führte nach seinem
Das folgende beruht im wesentlichen auf meinem Beitrag: Reichsfürst zwischen Mainz und Meißen. Heinrich Raspe als Landgraf von Thüringen und Herr von Hessen (1227–1247), in: Matthias werner (Hrsg.), Heinrich Raspe – Landgraf von Thüringen und römischer König (1227–1247). Fürsten, König und Reich in spätstaufischer Zeit (Jenaer Beiträge zur Geschichte 3), Frankfurt/M. u. a. 2003, S. 125– 271. Vgl. auch dens., Heinrich Raspe (1246–47), in: Werner ParaVicini (Hrsg.), Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch. Teilband 1: Dynastien und Höfe (Residenzenforschung 15,1), Ostfildern 2003, S. 256–261. Eine detaillierte Darstellung des ludo- wingischen Herrschaftskomplexes geben zuletzt Mathias kälBle, Stefan teBruck, Der Herrschaftsbe- reich Landgraf Ludwigs IV. von Thüringen (1217–1227), in: Dieter Blume, Matthias werner (Hrsg.), Elisabeth von Thüringen – Eine europäische Heilige. Katalog, Petersberg 2007, S. 63–66 (mit Karte S. 64 f.). Allgemein zu den Ludowingern und dem aktuellen Forschungsstand vgl. zuletzt Stefan teBruck, Landesherrschaft – Adliges Selbstverständnis – Höfische Kultur. Die Ludowinger in der Forschung, in: Wartburg-Jahrbuch 2008 (2010), S. 30–76.
Ulrich reulinG, Von Lyon nach Veitshöchheim: Die Wahl Heinrich Raspes zum rex Romanorum im Jah- re 1246, in: werner (Hrsg.), Heinrich Raspe (wie Anm. 4), S. 273–315.
werner, Reichsfürst (wie Anm. 4), S. 245–260.
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