Page 22 - Langsdorfer Verträge Inhalt
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2 VORWORT
in der maßgeblichen Studie von Ilgen und Vogel, die den Konflikt als thüringisch-hes- sischen Erbfolgekrieg bezeichneten, eine angemessene Einordnung der Auseinander- setzungen nur in einem größeren Zusammenhang erfolgen konnte, welcher Reichsge- schichte und interterritoriale Beziehungsgefüge gleichermaßen berücksichtigte. Zum Dritten erwies sich eine Analyse der Verträge von Langsdorf unter rechtsgeschichtli- chen und verfahrenstechnischen Gesichtspunkten als Desiderat, da nur so Einblicke in Konfliktlösungs- und Konfliktpräventionsmechanismen möglich waren, die eine gene- ralisierende Betrachtung der Verträge ermöglichen. Zu guter Letzt war nach dem Stel- lenwert der Langsdorfer Verträge für die Zeitgenossen zu fragen. Standen sie wirklich am Beginn der Landgrafschaft Hessen? Oder handelt es sich bei dieser Sichtweise um eine nachträgliche historiographische Konstruktion?
Nicht ein eingeengter hessenzentrierter Zugriff, sondern eine multiperspektivische Herangehensweise wurde daher einer Tagung zugrundegelegt, die von der Professur für Landesgeschichte der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem Hessischen Lan- desamt für geschichtliche Landeskunde in Marburg am 1.–2. Juni 2012 unter dem Titel „Neugestaltung in der Mitte des Reiches. 750 Jahre Langsdorfer Verträge“ im Schloss Rauischholzhausen ausgerichtet worden ist und dankenswerterweise von der Fritz Thyssen Stiftung durch einen namhaften Betrag finanzielle Unterstützung erhielt. In den Blick genommen wurde mit dem Mainzer Erzbischof der erste der geistlichen Reichsfürsten und damit der vornehmste aller Reichsfürsten, welcher alte Herrschafts- rechte im umstrittenen Raum geltend machen konnte, mit dem Markgrafen von Mei- ßen ein weltlicher Reichsfürst, der in seinem angestammten Hausmachtbereich über eine konsolidierte Herrschaft verfügte, mit dem im Westen des Reichs verankerten, in Mitteldeutschland jedoch nicht präsenten Haus Brabant ein Prätendent, der, vertreten durch Landgräfin Sophie und ihren Sohn, um die fürstlich-dynastische Selbstständig- keit der für Hessen erstrebten neuen Herrschaftsbildung erst ringen musste, sowie mit kleineren Herrschaftsträgern jene politischen Kräfte, die im 13. Jahrhundert noch ge- nug Handlungsspielräume hatten, um Faktoren in der politischen Auseinandersetzung zu sein. Auch die welfischen Herzöge von Braunschweig und die Askanier wurden in den Vorträgen mit thematisiert. Was interessierte, war die Analyse der Rahmenbedin- gungen politischen Handelns, des Beziehungsgeflechts zwischen den Akteuren und der Handlungslogik der Akteure. Neben der gleichgewichtigen Thematisierung von Kurmainz erwies sich insbesondere der Einbezug Thüringens als unabdingbar, zumal sich in dem nach 1247 territorial verkleinernden Nordwestthüringen die Konsequen- zen der politischen Neugestaltung unmittelbar nachweisen lassen und hier zugleich auch die wichtigsten Protagonisten des Geschehens auftreten. Des weiteren wurden Personenverbände und Klientelsysteme untersucht, die zur Ausbildung einer hegemo- nialen Stellung oder zur Stütze von Herrschaft beitrugen.
In Anknüpfung an aktuelle Forschungsfragen wurde außerdem ein Schwerpunkt auf Mechanismen der Konfliktlösung und Konfliktprävention gelegt. Dank der ver- gleichsweise günstigen Quellenlage lassen die Langsdorfer Verträge nämlich exem- plarisch erkennen, in welcher Form lehnrechtliche, dynastische sowie macht- und


































































































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