Page 21 - Langsdorfer Verträge Inhalt
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Vorwort
In vier am 10./11. September 1263 in Langsdorf (heute Stadtteil von Lich, Kreis Gie- ßen) schriftlich niedergelegten Abmachungen wurde ein komplexer Vergleich zwischen dem Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein und Sophie von Brabant, Tochter der heiligen Elisabeth, sowie ihrem Sohn Heinrich festgehalten. Die Verträge sollten lang- jährige Auseinandersetzungen zwischen den Parteien beenden, die nach dem Ausster- ben der Ludowinger im Mannesstamm 1247 um deren Erbe ausgefochten wurden. Be- kanntlich reklamierte Landgräfin Sophie, eine verheiratete Herzogin von Brabant und ludowingische Kognatin, für ihren Sohn Heinrich mindestens erbrechtliche Ansprü- che auf die allodialen Teile des ludowingischen Erbes sowie auf die Grafschaft Hes- sen, bekanntlich trat ihr der Mainzer Erzbischof entgegen, der die Lehnsabhängigkeit der Grafschaft Hessen von Mainz betonte. Markgraf Heinrich der Erlauchte von Mei- ßen machte als Dritter im Konfliktfeld kraft einer kaiserlichen Eventualbelehnung An- sprüche auf die Reichslehen der Ludowinger geltend. In den Langsdorfer Verträgen des Jahres 1263 erlangte Landgräfin Sophie u. a. eine Belehnung durch den Erzbischof. Daher betrachtete Karl E. Demandt in seiner grundlegenden „Geschichte des Landes Hessen“ die Verträge als einen wichtigen konsolidierenden Zwischenschritt bei der Ab- grenzung der Landgrafschaft Hessen vom Mainzer Erzstift und somit bei deren Ent- stehung1. Ein Jubiläum der 1866/1918 verlorenen hessischen Eigenstaatlichkeit, die na- mengebend jedoch im Bundesland Hessen weiterlebt, schien sich anzukündigen.
Der erste Ansatz, sich im Rahmen des 750. Jahrestages der Verhandlungen 2013 – ausgehend von einer zu erstellenden kritischen Edition der Urkunden – mit den Ver- trägen, ihren Inhalten und unmittelbaren Konsequenzen zu beschäftigen, erwies sich jedoch bald als nicht hinreichend. Denn zum einen wurde sehr rasch deutlich, dass die nach dem Tode des thüringischen Landgrafen und römischen Königs Heinrich Ras- pe (1227–1247) und dem Aussterben der Ludowinger einsetzenden Konflikte trotz der verdienstvollen Studie von Theodor Ilgen und Rudolf Vogel aus dem Jahre 18832 nicht ausreichend aufgearbeitet sind. Dies galt nicht nur für die Verhältnisse in Hessen bzw. in Mainz, sondern fast noch stärker für die nach 1945 und in der DDR selbst vor dem Hintergrund schwer zugänglicher Archive und Sammlungen und fehlender Quel- lenaufarbeitung wenig bearbeitete Landgrafschaft Thüringen. Zu dieser wurde nach Schaffung einer Professur für Landesgeschichte an der Universität Jena erst wieder durch Matthias Werner und seinen Schülerkreis eine breitere Forschungstätigkeit auf- genommen3. Zum anderen wurde sehr bald deutlich, dass entgegen der Titelgebung
Karl E. demandt, Geschichte des Landes Hessen, 2. Aufl. Kassel 1972, ND Kassel 1980, S. 323. Die erste Auflage dieses Bandes erschien bereits 1959.
ilGen/VoGel.
Für die hier interessierende Frage einschlägig ist etwa der Sammelband von Holger kunde, Stefan te- Bruck, Helge wittmann, Der Weißenfelser Vertrag von 1249. Die Landgrafschaft Thüringen am Be- ginn des Spätmittelalters (Thüringen gestern und heute), Erfurt 2000.
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