Page 22 - Mitteilungen-Geschichtsverein Erfurt Heft 22
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Tim Erthel
de.27 In diesem Zusammenhang löste man die Grabsteine aus dem Boden. Sie wurden gedreht und dienten weiterhin als Fußbodenplatten, nun aller- dings mit der gestalteten Seite nach unten; eine Vorgehensweise, die sich für mehrere Erfurter Kirchen belegen lässt. Erst nach über 150 Jahren, im letz- ten Viertel des 20. Jahrhunderts, wurden die Steine geborgen. In Frage kom- men die Sanierungen im Kircheninneren Anfang der 1980er und Anfang der 1990er Jahre. Bei beiden Kampagnen fand man Grabsteine, die verkehrt herum als Fußbodenplatten genutzt worden waren.28 Sie wurden zu Beginn der 1990er Jahre im Hof der Michaeliskirche aufgestellt, unter ihnen auch der Grabstein Langs. Durch seine vorangegangene Zweckentfremdung, sicherlich auch bei der Bergung, waren erhebliche Schäden entstanden. Der Verlust der Inschrift erschwerte fortan die Identifizierung.
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Die Wiederauffindung des Grabsteins von Johannes Lang durch den gebür- tigen Erfurter Rolf-Torsten Heinrich konnte nach eingehender Prüfung und dem Heranziehen weiterer Indizien zweifelsfrei bestätigt werden. Die Neuentdeckung kommt gerade rechtzeitig, fällt sie doch in die Lutherde- kade 2008 bis 2017. Der Fund ist von großer Bedeutung für die Denkmal- landschaft, da es sich um ein zentrales Zeugnis der Reformationsgeschichte Erfurts und der Region handelt. Der Stein bereichert die Ausstattung der Michaeliskirche, eine der Hauptwirkungsstätten Langs und wichtiger Erin- nerungsort der Reformation. Der Grabstein bildet darüber hinaus ein wich- tiges Selbstzeugnis des Reformators.29 Er gibt ihm ein Gesicht, das trotz sei- ner Beschädigungen individuelle Züge erkennen lässt. Zugleich erinnert der Grabstein an Sebastian Schröter, einen Erfurter Gelehrten der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der, wie sein „Vorgänger“ Lang, engagiert für die evan- gelische Kirche eintrat und zugleich ein intensives Wirken auf den Gebieten der humanistischen Wissenschaften entfaltete. Aufgrund des hohen Stellen-
27 Kunstdenkmäler (wie Anm. 11). S. 504, Regest 11.
28 TLDA, Registratur-Nr. 51.008-0029, Michaeliskirche.
29 Grabsteine als Selbstzeugnisse mittelalterlicher Geistlicher mit Beispielen bei
Bünz, Enno: Klerus und Bürger. Die Bedeutung der Kirche für die Identität deut- scher Städte im Spätmittelalter. In: Aspekte und Komponenten der städtischen Identität in Italien und Deutschland (14.-16. Jahrhundert). Hg. v. Giorgio Chitto- lini, Peter Johanek. Bologna 2003. S. 351-389, hier S. 382-387, Abb. 4 und 5.
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